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In dem Strafverfahren gegen den Pionier Heinrich K u r l b a u m, geb. am 29.5.1901 in Oberlübbe Krs. Minden/Westf., verh., gottlos, 2./Pi.Btl.(mot) 675 wegen Zersetzung der Wehrkraft hat das am 14. März 1944 in Wosnessenek/Ukraine zusammengetretene Feldkriegsgericht der 16. Panzer-Grenadier-Division [...] für Recht erkannt: Der Angeklagte wird wegen Zersetzung der Wehrkraft zum Tode verurteilt. Gleichzeitig wird auf Wehrunwürdigkeit und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit erkannt. Gründe: Der Angeklagte ist am 29.5.1901 in Oberlübbe Krs. Minden/Westf. geboren. Nach dem Besuch der dortigen Volksschule wurde er in seinem Heimatort Zigarrenarbeiter. Seit der Wiederbelebung des Bergbaues im Kreis Minden ist er Bergmann in einem Erzbergwerk. 1924 hat er geheiratet. Aus der Ehe sind ein Sohn und drei Töchter hervorgegangen. Der Sohn des Angeklagten ist im August 1943 als Soldat an der Ostfront im Alter von 18 Jahren gefallen. Die drei Töchter sind noch im Elternhause. Im Jahre 1926 kam der Angeklagte mit der Sekte der Ernsten Bibelforscher in Berührung und wurde ein „Jünger Jeho- vas". Er besuchte regelmäßig die Versammlungen und hielt deren Zeitschriften wie z.B. „Das goldene Zeitalter" und den „Wachturm" [!]. Die Ehefrau des Angeklagten ist ebenfalls der Sekte beigetreten. Die Kinder dagegen hängen, da sie im Zeitpunkt des Verbots dieser Sekte im Jahre 1934 noch zu klein waren, dieser Irrlehre noch nicht an. Nach dem Verbot der Vereinigung hat sich der Angeklagte zwar aktiv nicht mehr beteiligt. Er ist jedoch dieser Ehre treu geblieben. Am 1.3. 1943 wurde der Angeklagte zum Bau-Ers.Btl.6 nach Minden einberufen, und sollte am 20,1.1941 auf den Führer vereidigt werden. Am Tage vor der Vereidigung verweigerte er aus religiösen Gründen den Fahneneid und wurde in Untersuchungshaft genommen. Im Ermittlungsverfahren erklärte er sich jedoch bereit, den Eid zu leisten. Er wurde nach einigen Wochen U-Haft vom Reichskriegsgericht wegen Zersetzung der Wehrkraft in einem minder schweren Falle zu einem Jahre Gefängnis verurteilt. Die Strafe wurde in vollem Umfange ausgesetzt. Der Angeklagte hat dann den Eid auf den Führer geleistet. Im Frühjahr 1943 kam der Angeklagte mit seiner Einheit, die inzwischen nach Arnsberg verlegt worden war, zum Brückenbau nach Gronau an die holländische Grenze, wo er bis zum August 1943 verblieb. Von dort wurde er zum Pi.Ers.Bt1.6 nach Minden abgestellt und kam im Februar 1944 über das Inf.Ers.Btl.(mot)156 in Lingen mit einem Marsch-Btl, zur 16. Panzer-Gren.Division nach Rußland, wo er am 14.2.1944 der 2./Pi.Btl.(mot)675 zu- geteilt wurde. Während der Bahnfahrt nach Rußland hatte der Angeklagte, da er Pionier war, ein Gewehr nicht erhalten. Als die Kompanie am 14. 2.1944 an der Brücke bei Schirokoje zum Brückenbau eingesetzt wurde, und als es sich herausgestellt hatte, daß im ganzen noch 8 Leute der Kompanie ohne Waffen waren, unterließ es der Angeklagte absichtlich, sich eines von den 6 durch die Kompanie beschafften Gewehren oder wenigstens sich einige Handgranaten, die zur Verteilung gelangten, zu beschaffen, und ging am Abend des 14.2.1944 waffenlos zum infanteristischen Einsatz der Kompanie in die Stellung ostwärts Schirokoje. Als am nächsten Nachmittage die Kompanie bereits Gefechtsberührung hatte, und der Kompanie-Chef die Stellung abging, meldete ihm der Angeklagte, daß er es aus religiösen Gründen ablehnen müsse, mit der Waffe in der Hand gegen den Feind zu kämpfen. Der Angeklagte ist dann noch bei den Absetzbewegungen der Kompanie während des Nachmittags und bei den nächtlichen Kämpfen um eine Buschreihe, in der er mit 2 anderen Kameraden eine Stellung bezogen hatte, verblieben. Er hat sich selbst bei diesem Gefecht aktiv nicht beteiligt. Nach Ablösung der Kompanie ist er dann vorläufig festgenommen worden. Der Angeklagte erklärt in der Hauptverhandlung, es sei ihm als „Jünger Jehovas" aus religiösen Gründen unmöglich, auf einen Menschen zu schießen. Deshalb habe er bereits bei seiner Einberufung im Jahre 1943 die Ableistung des Fahneneides verweigert. Er habe den Eid jedoch später geleistet, da er angenommen habe, daß er als Angehöriger des Geburtsjahrganges 1901 und als Brückenbau-Pionier des Bau-Ers.Btl. 6 nicht in die Lage kommen werde, unmittelbar mit dem Feind kämpfen zu müssen. Diesen Entschluß, den Fahneneid doch zu leisten, bedauere er jetzt sehr. Es sei ihm schon aus der Zeit seiner Untersuchungshaft im Jahre 1943 bekannt, daß ihm im Falle einer Weigerung mit der Waffe gegen den Feind zu kämpfen, die Todesstrafe drohe. Jedoch müsse er aus seiner innersten religiösen Einstellung heraus bei seinem Entschluß, nicht auf den Feind zu schießen, verbleiben, An dieser Einstellung könnten auch etwaigen [!] Pflichten seinen Kindern gegenüber, besonders aber seinem gefallenen Sohn gegenüber, nichts ändern. Er sei bereit, seines Glaubens wegen zu sterben. Auf die ausdrückliche Frage des Verhandlungsleiters, was er getan hätte, wenn bei dem nächtlichen Feuerwechsel in der Buschreihe der Feind noch weiter vorgedrungen wäre, erklärt der Angeklagte, er hätte die Hände hoch gehoben und sich den Russen ergeben. Dieser Sachverhalt ist in der Hauptverhandlung auf Grund der eigenen glaubwürdigen Aussagen des Angeklagten festgestellt worden. Danach hat der Angeklagte durch seine beharrliche Weigerung, als Frontsoldat mit der Waffe in der Hand gegen den Feind zu kämpfen, es unternommen, sich der Erfüllung des Wehrdienstes zu entziehen, Er war daher wegen Zersetzung der Wehrkraft gemäß § 5 Abs. 1 Ziff, 3 KSSVO, zu bestrafen, wobei es nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 48 MStGB. für die Strafbarkeit unbeachtlich ist, daß der Täter sein Verhalten nach den Vorschriften seiner Religion für geboten erachtet. Die Sekte der Ernsten Bibelforscher ist, da sie durch ihre Irrlehre den Wehrwillen des deutschen Volkes systematisch untergräbt, als staatsfeindliche internationale Vereinigung seit 1934 verboten. Es kann nicht angehen, daß in diesem dem deutschen Volke aufgezwungenen Schicksalskampf, in dem es um Sein oder Nichtsein eines 80 Millionen-Volkes geht, Einzelne aus irgendwelchen religiösen Einstellungen heraus es ablehnen, sich in diesem gigantischen Ringen aktiv am Kampfe für ihr Volk zu beteiligen, und somit durch ihr Beispiel den Wehrwillen anderer Soldaten zu lähmen, Die Pflicht, als Angehöriger des deutschen Volkes den Bestand dieser Volksgemeinschaft gegenüber äußeren Feinden mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, ist oberstes göttliches Gesetz, da ohne Vorhandensein eines solchen Wehrwillens der Bestand eines Volkes in dieser Welt unmöglich ist. Wer gegen dieses Gesetz verstößt, schließt sich aus der Volksgemeinschaft aus und ist mit dem Tode zu bestrafen. Gegen einen derartigen hartnäckigen Überzeugungstäter, wie es der Angeklagte ist, ist schon wegen der propagandistischen Wirkung seines Verhaltens, – zumal gerade in dieser Zeit, die Moral des deutschen Ostkämpfers durch die erforderlichen Absetzbewegungen den härtesten Belastungen ausgesetzt ist, – die Todesstrafe die einzig mögliche Sühne, Nach Überzeugung des erkennenden Gerichts ist ein minder schwerer Fall, bei dem gesetzlich auch die Verhängung einer zeitigen Zuchthausstrafe zulässig wäre, hier nicht gegeben. Der Angeklagte hat zwar, – und das ist vom Gericht nicht verkannt worden, – nicht aus Furcht vor persönlicher Gefahr die Erfüllung des Wehrdienstes verweigert, sondern in völliger Erkenntnis der sich aus dieser Verweigerung ergebenden Folgerungen lediglich aus religiösen Gründen es abgelehnt, mit der Waffe zu kämpfen, und dieses auch gegenüber seinem Komp.-Chef und in der Hauptverhandlung offen bekannt. Jedoch kann dieses an sich durchaus mutige Bekenntnis des Angeklagten nicht zu einer milderen Beurteilung seiner Tat führen. In diesem schwersten Ringen des deutschen Volkes hat eine anderweitige Einstellung eines Einzelnen – gleichgültig aus welchen Gründen sie stammen mag – gegenüber dem Gesamtwillen des deutschen Volkes, der auf äußerste Abwehrbereitschaft ausgerichtet sein muß, keinen Raum mehr. Eine derartige negative Einstellung des Angeklagten, wie sie sich aus seiner Äußerung, er hätte sich in der Buschreihe notfalls kampflos den Russen ergeben, ist nicht nur ein Verbrechen an den sich tapfer wehrenden Kameraden, die mit ihm die Stellung verteidigten, sondern auch ein Verbrechen am deutschen Volk überhaupt. Ein Täter mit derartiger Einstellung kann von einem deutschen Kriegsgericht keine Gnade erwarten, auch wenn es bedauerlich sein mag, den Angeklagten, wie hier – ais Vater eines Sohnes, der in treuer soldatischer Pflichterfüllung vor dem Feinde geblieben ist – zum Tode zu verurteilen. Nach alledem war, wie geschehen, die Todesstrafe gegen den Angeklagten auszusprechen. Die Aberkennung der Wehrwürdigkeit ergibt sich aus § 31 MStGB., die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit aus § 32 MStGB. [gez. Unterschrift] |